Lorena Pircher (Italien/ Österreich) wurde in Schlanders, Italien, geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Meran studierte sie Anglistik, Französisch und vergleichende Literaturwissenschaften in Wien. In dieser Zeit verbrachte sie ein Semester in Frankreich und entdeckte ihr großes Interesse an Kunstgeschichte. 2018 erschien ihr erster Gedichtband „Irrende Welten“ (Provinz Verlag). Seither mehrere Veröffentlichungen in verschiedenen Literaturzeitschriften und Anthologien.

 

 

Deutsch

 

MUTTERZUNGEN II

frage mich welche sprache um zu sprechen von den reben und den brombeersträuchern deren stacheln rote striemen auf meinen armen beim sammeln der früchte

schwarzviolette fresken auf meine haut gemalt: alle verästelungen meiner handflächen sichtbar gemacht und welche sprache um zu schreiben

 

von den tagen ohne anfang ohne ende

und den webstühlen den spindeln

und den kräutern zwiebeln gepresste zitronen

den regentagen wasser in meinen schuhen als würde ich im meer waten

 

und welche die richtige sprache zu sprechen von jenen monaten ohne zeitgefühl jenen tagen ohne anfang und ohne ende an denen kind sein wieder

 

ABSCHIED IN TEILEN

 

an verschiedenen dingen dich gesucht: an der offenen tür

den kirschkernen am boden vielleicht ein hautpartikel noch

eine wimper in der tasse aus der wir getrunken gehärtetes brot auf dem tisch

denke an all die orte an denen etwas zurückbleibt vom körper von präsenzen in der abwesenheit der sache selbst

gelenke die gealtert finger die behäbiger und

geschmack im mund der bleibt

als leere

die deiner haut / wie einmal noch am arm

ein bisschen salz vom meer von damals

 

Übersetzt von der Lyrikerin

 

 

 

 

Italianisch

 

MADRELINGUE II

mi chiedo in quale lingua parlo se parlo delle viti e dei cespugli di more le cui spine lasciano strisce rosse sulle mie braccia mentre raccolgo i frutti
affreschi nero-violacei dipinti sulla mia pelle: tutte le ramificazioni dei miei palmi rese visibili e in quale lingua scrivere
dei giorni senza inizio e senza fine
e dei telai dei fusi
e le erbe cipolle limoni spremuti
i giorni di pioggia l'acqua nelle mie scarpe come se stessi guadando il mare
e in quale lingua parlo di quei mesi senza tempo di quei giorni senza inizio e senza fine
mentre posso essere di nuovo bambino

 

 

 

 ADDIO IN PARTI

ti ho cercato in cose diverse: nella porta aperta
nei noccioli di ciliegia sul pavimento forse una particella di pelle rimasta
una ciglia nella tazza da cui abbiamo bevuto del pane indurito sul tavolo
pensa a tutti i luoghi in cui rimane qualcosa del corpo delle presenze in assenza della cosa stessa
articolazioni che sono invecchiate dita che sono stolide e
il sapore in bocca che rimane
come il vuoto
quello della tua pelle / come una volta stava ancora sul tuo braccio
un po' di sale dal mare di molto tempo fa