Dušan Savić (Serbien/Österreich) wurde in Banja Luka geboren. Seine erste Geschichte wurde im März 2007 in der Tageszeitung Politika veröffentlicht, danach erschien die Kurzgeschichten-Sammlung „Der Sattel“ - Banja Luka aus dem Koffer der Erinnerungen. Der Roman Wiener Rad wurde zuerst auf Serbisch (2009), dann auf Deutsch beim österreichischen United – p.c. Verlag, Neckenmarkt, herausgebracht. Savić schreibt auch Gedichte. Seine erste Gedichtsammlung Die Steine sprechen veröffentlichte er beim bulgarischen Verlag Svetulka 44 in Sofia. Seine Poesie und Prosa sind in mehreren literarischen Zeitschriften und Anthologien auf Deutsch, Serbisch, Polnisch und Tschechisch erschienen. Der Autor ist auch als Übersetzer tätig. Der Autor ist Mitglied der Serbischen Gesellschaft der Schriftsteller Vojvodina, des Vereins der Schriftsteller der Republika Srpska und des österreichischen PEN-Clubs. Er lebt in Wien und Sombor.

 

Deutsch

 

 

DIE FUßGÄNGERZONE SIMMERING

 

 

 

  

 

   Wien ist eine gut organisierte Stadt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man sogar das abgelegenste Gässchen. Schneller als mit dem Auto. Heute ist Sonntag. Ein schöner Tag für einen Spaziergang. Mit der U-Bahn fahre ich zur Endstation Simmering. Ein Stück weiter befindet sich der Zentralfriedhof, Wiens eigentlicher Stadt-friedhof. Ein unüberschaubarer Fußgängerbereich, auf dem mehr als drei Millionen Seelen begraben liegen. Der ideale Ort für einen Menschen, der in Ruhe nachdenken möchte. Der einzige Laut, der die Gegend erfüllt, ist das leise Rauschen des fallenden Herbstlaubes. Es harmoniert vorzüglich mit der Friedhofsstimmung und lenkt auf wundersame Weise nicht vom Grübeln ab. Jedoch …

 

      Im Ehrenhain* treffe ich auf einen Mann, der vor dem Grab Franz Schuberts kniet. Er kniet und trällert vor sich hin. Vom ganzen Text dringt lediglich „Wir Schuberts sind …“ deutlich an mein Ohr. Diese unerwartete Szene zwingt mich dazu, näher heranzutreten. Ich grüße ihn höflich und frage vorsichtig, ob er nicht zufällig ein Nachkomme des Maestro sei. Sein Rücken ist mir zugewandt. Er reagiert nicht. Ich beschließe, noch näher heranzutreten. Der Mann springt plötzlich auf, mustert mich noch in der Drehung von oben bis unten und durchbohrt mich mit durchdringendem Blick. Verdutzt wiederhole ich meine Frage. Er wendet seine Augen nicht ab. Langsam bewegt er die Lippen, als würde er irgendetwas zählen. Auf einmal jault er auf: „Nein!“ Er macht eine seltsam lange Pause und fährt fort, ohne mich zu siezen: „Siehst du, ich bin vollkommen taub, so wie Ludwig.“ Er zeigt mit ausgestreckter Hand auf das benachbarte Grab Beethovens und fährt weiter fort: „Es wäre logischer, wenn ich ihn verehren würde, nicht wahr? Aber mein österreichisches Herz pocht in den Takten Maestro Schuberts. Jede Note habe ich mir eingeprägt, als ich noch hören konnte.“

 

   Der eigentümliche Mann lässt darauf die Hand auf das Grab sinken, wo der Name des Maestro eingraviert ist. Mit den Fingern gleitet er über jede einzelne Letter. Beim letzten Buchstaben angelangt empfiehlt er sich mit einer tiefen Verbeugung. Abrupt richtet er sich auf, zieht mit einer scharfen Bewegung den Arm zurück und legt ihn am Körper an. Mit fast soldatischem Geschick beschreibt er auf dem Absatz eine halbe Kehrtwende und begibt sich in Richtung des Haupttores, während er vor sich hin dirigiert. Er verabschiedet sich nicht von mir. Und warum sollte er auch, denke ich mir. Er ist unbestritten ein Sonderling, aber ich bin derjenige, der es gewagt hat, seinen Frieden zu stören, und nicht umgekehrt. Ich blicke seinem rhythmischen Getänzel nach und biege in den beschaulicheren Teil des Friedhofs ab, wo die gewöhnlichen Leute ruhen. Im selben Moment drängt sich mir die Frage auf, worin der Unterschied zwischen den Privilegierten und diesen Gewöhnlichen besteht. Hier sind alle gleich, woran auch prunkvolle Grabmäler und Statuen gegenüber bescheidenen Gräbern mit Kreuzen nichts ändern können. Alle sind sie gleichermaßen tot. Die Gesellschaft aber hat ihre Regeln. Auch im Tod soll man wissen, wer wer ist.

 

   Kurz darauf eine neue Szene. Ein älteres Ehepaar neben einem bescheidenen Grab. Eine Frau im Rollstuhl, eingehüllt in eine Decke wie ein Kind, weint und wischt sich mit zitternder Hand die Tränen vom Gesicht. Der Mann steckt frische Blumen in die Vase. Ab und an beobachtet er die Frau aus den Augenwinkeln. Er wirkt scheinbar ruhig. Auf dem Grabstein befindet sich das Bild eines jungen, lächelnden Mädchens. Der Alte richtet sich auf und streichelt zärtlich das Bild. Er verschränkt die Finger, wie es sein Vorgänger über dem Namen Franz Schuberts tat. Die alte Frau schluchzt immer lauter. Das ist zu viel für mich. Der falsche Tag für einen Spaziergang. Es beginnt ein immer stärker werdender Wind zu wehen, der meine aufgewühlten Gedanken klärt. Ich muss nach Hause. Am Ausgang betrete ich einen Imbiss. Die Straßenbahn kommt erst in acht Minuten. Der Grappa tut gut und spült die Bitternis fort.

 

   Ich bin wieder in der U-Bahn. Ich nehme Platz. Mir gegenüber befindet sich der Schubert-Verehrer vom Friedhof. Er mustert mich mit einem solchen Interesse, als sehe er mich zum ersten Mal. Es dauert nur kurz. Aus der Innentasche seines Mantels nimmt er eine Piccoloflöte heraus und beginnt zu spielen. Ich erkenne die Töne von Schuberts Unvollendeter. Dann wechselt er plötzlich zur Improvisation, besessen vom Gedanken, das zu vollenden, was seinem Idol zu vollenden nicht gelang.

 

   Im hinteren, geräumigeren Teil des Waggons, der für körperlich Eingeschränkte vorgesehen ist, nimmt das ältere Ehepaar Platz. Die Frau weint immer noch. Ihr Mann erhebt sich wütend vom Sitz und beginnt, die unglückliche Alte anzuschreien: „Das reicht jetzt! Hör auf! Was willst du denn? Ich ertrage deine Tränen nicht mehr! Wenn du nicht auf der Stelle aufhörst, schicke ich dich ins Altersheim!“ Die Leute im Waggon schenken ihnen keine Aufmerksamkeit. Seltsam diese Menschen. Zu sehr in sich selbst und ihre eigenen Leben versunken. Am allerwenigsten lässt sich der von Stille umgebene Schubert-Verehrer aus dem Konzept bringen. Die Töne des kleinen, aber kraftvollen Instruments harmonieren erstaunlich gut mit dem Geschrei des fassungslosen Alten.

 

 

 

   Nach zwei Stationen steigt das Ehepaar aus. Die Frau versucht etwas zu sagen, aber das Schluchzen erstickt ihre Worte. Sie heult immer stärker und beginnt, im Rollstuhl hin und her zu ruckeln. Ich schaue ihnen nach. Ein trauriger Anblick. Meine Station. Der junge Schubert hört nicht auf, zu spielen. Vielleicht vollendet er ja die Symphonie bis zur letzten Haltestelle.

 

  

 

   Wien ist eine gut organisierte Stadt. Ein geregelter Lokalverkehr. Der Rest ist gleich. Wie überall.

 

   Auf der Fassade des Gebäudes in dem ich wohne, tauchte ein frisches Graffiti in der Form eines achtsilbigen Verses auf: Gott ist tot! Von Nietzsche und mir! Der Autor gab sich Mühe, darunter mit kleineren Buchstaben dazuzureimen: Man soll‘s wissen, solang‘s steht hier!

 

 

 

 

 

 

 

* Jener Teil des Wiener Zentralfriedhofs, in dem sich die Ehrengräber befinden (Anm. d. Ü.). 

 

 

 

 

Serbisch

 

 

 

ŠETALIŠTE SIMERING

 

  

 

   Beč je organizovan grad. Gradskim prevozom stiže se i do najzabitije uličice. Brže nego automobilom. Danas je nedelja. Lep dan za šetnju. Podzemnom železnicom putujem do krajnje stanice, Simering. Malo dalje je Centralfidhof, bečko gradsko groblje. Nepregledno šetalište unutar kojeg je sahranjeno više od tri milona duša. Idealno odredište za čoveka koji bi da razmišlja u miru. Jedini ton koji ispunjava predeo je lagano šuštanje padajućeg, jesenjeg lišća. Idealno se uklapa i, začudo, ne skreće misli. Ali...

 

   U aleji velikana zatičem muškarca koji kleči pred grobom Franca Šuberta. Kleči i pevuši. Od celog teksta jedino razgovetno se provlači: „Mi Šuberti smo...“ Taj neočekivan prizor tera me da priđem bliže. Pristojno ga pozdravljam i oprezno pitam da slučajno nije jedan od maestrovih potomaka. Okrenut je leđima i ne reaguje. Odlučujem da produžim dalje. Čovek odjednom poskoči, odmeri me u okretu i preseče prodornim pogledom. Zbunjen ponavljam pitanje. On ne skida pogled. Lagano pomiče usne kao da nešto broji. Odjednom podviknu:

 

-        Ne! –  zagonetno pravi dužu pauzu i nastavlja bez persiranja  – Vidiš, potpu-

 

no sam gluv kao i Ludvig – ispruženom rukom pokazuje na Betovenov grob pored i nastavlja - Logičnije bi bilo da obožavam njega, zar ne? Ali, moje austrijsko srce kuca u taktovima maestra Šuberta. Svaku notu sam upamtio... Još dok sam mogao da čujem...

 

 

 

   Neobičan muškarac, potom, supšta ruku na spomenik gde je urezano maestrovo ime. Prstima prelazi preko svakog slova posebno. Na poslednjem slovu oprašta se dubokim naklonom. Naglo se uspravlja, oštro trza ruku i prislanje je uz telo. Skoro vojničkom veštinom petom pravi poluokret i, usput dirigujući, krenu prema glavnoj kapiji. Ne pozdravlja me. A zašto i bi, zaključujem. Neosporno da je čudak, ali ja sam taj koji se usuđuje da remeti njegov mir, a ne obrnuto. Pogledom pratim njegovo ritmičko poskakivanje i skrećem u mirniji deo, tamo gde počiva običan svet. Istog časa nameće mi se pitanje u čemu je razlika između privilegovanih i ovih običnih? Ovde su svi izjednačeni. Velelepni spomenici sa statuama ništa ne menjaju u odnosu na skromne grobove sa krstom. Svi su jednako mrtvi. Ali, društvo ima svoja pravila. I u smrti da se zna ko je ko.

 

   Nedugo zatim, novi prizor. Stariji bračni par kraj skromnijeg groba. Žena u invalidskim kolicima, zamotana u ćebe kao dete, plače i drhtavom rukom briše suze. Muž stavlja u vazu sveže cveće. Povremeno ispod oka posmatra ženu. Prividno deluje spokojno. Na spomeniku slika mlade, nasmešene devojke. Starac se uspravlja i nežno miluje sliku. Jednako prepliće prstima kao i onaj prethodnik preko imena Franca Šuberta. Starica ječi sve glasnije. Ovo je već previše za mene. Pogrešan dan za šetnju. Počinje da duva sve snažniji vetar. Razvejava mi uskovitlale misli. Moram kući. Na izlazu ulazim u bife. Tramvaj stiže tek za osam minuta. Grapa baš prija dok spira gorčinu.

 

 

 

   Ponovo sam u podzemnoj železnici. Zauzimam mesto. Preko puta onaj Šubertov obožavalac s groblja. Sa zanimanjem me odmerava kao da me vidi prvi put. Trajalo je kratko. Iz unutrašnjeg džepa kaputa vadi pikolo i počinje da svira. Prepoznajem tonove Šubertove Nedovršene... Onda naglo prelazi u improvizacije. Opsednut mišlju da dovrši ono što nije uspeo njegov idol.

 

 

 

   U donjem, prostranijem delu vagona, predviđenom za invalide, smešta se onaj stariji bračni par. Žena i dalje plače. Muž besno ustaje sa sedala, mlatara rukama i počinje da viče na ubogu staricu:

 

 

 

-        Dosta  je  bilo! Prekini! Šta hoćeš? Ne podnosim više tvoje suze. Ako smesta

 

ne prestaneš, šaljem te u starački dom!

 

 

 

   Ljudi u vagonu ne obraćaju pažnju. Čudan neki svet. Suviše zaokupljeni vlastitim brigama. U svojoj tišini Šubertov obožavalac najmanje je zbunjen. Tonovi malog ali moćnog instrumenta, nekim čudom, dobro se uklapaju uz dernjavu zapenjenog starca.

 

 

 

   Posle dve stanice izlazi bračni par. Žena pokušava nešto da kaže, ali reči guše  grcaji. On urla sve jače i počinje da treska kolicima. Gledam za njima. Tužan prizor. Moja stanica. Izlazim. Mladi Šubert ne prestaje da svira. Možda završi simfoniju do poslednje stanice.

 

 

 

   Beč je organizovan grad. Uređen lokalni saobraćaj. Sve ostalo s ljudima je isto. Kao i svugde.

 

 

 

   Na fasadi zgrade gde stanujem osvanuo je svež grafiti u osmercu: Bog je mrtav! Niče i ja! Autor se potrudio da ispod sitnijim slovima doda u rimi: Dok ne izbrišu, nek´ se zna!