Nathalie Rouanet(Frankreich / Österreich)1966 in Frankreich geboren. Lebt und arbeitet seit 1990 in Klosterneuburg bei Wien – von 2010 bis 2013 in Istanbul. Selbstständige Übersetzerin (Belletristik, Kunst, Film,Wissenschaft, Lyrik, Theater) und Schriftstellerin (Romane, Kurzprosa, Aufsätze zur Literatur- und Übersetzungswissenschaft).Doktorat der Philosophie an der Universität Wien. European Bachelor in Marketing. Diplomstudium der Germanistik  und Deutschen Philologie an der Universität Toulouse.Vorstandsmitglied der IG Übersetzerinnen Übersetzer, Mitglied der ATLF, der Literar-Mechana und der IG AutorInnen.

Deutsch

 

Von Honig und Absinth 

 

 

Ihr Leben in Wien war wie Honig und Absinth. Und sie hatte bald lernen müssen, die Streu vom Weizen zu sondern. Denn ihr anfängliches Gefühl der Entwurzelung wurde durch die traurige Stadt und ihre hässlichen Menschen nur verstärkt. Als sie in Wien angekommen war, mehr als fünfzehn Jahre zuvor, hatte man zu ihr gesagt: "Ja, ja, die Franzosen, die kenn' ma' gut, sie haben uns zehn Jahre lang besetzt", was Léna nicht gleich verstanden hatte. Sie war damals erst zwanzig und sie hatte noch nie davon gehört. Dass Frankreich eine Besatzungsmacht gewesen sei. Für sie bedeutete der Zweite Weltkrieg die Lebensmittelmarken, die ihre Mutter kaum ernährt hatten, die Topinamburs, die ihren Großvater auf seinem langen Rückmarsch von der Front gerettet hatten, die Résistance und die Gestapo, die Guten und die Bösen. Hatte man ihr in der Schule nicht gesagt, dass die Alliierten, zu denen die Franzosen gehörten, eine Befreiungsmacht gewesen waren? Hatte ihr Großvater nicht Paris befreit? Es dauerte, bis sie dieses schlechte Gewissen der Kriegsgeneration verstanden hatte. Diese Österreicher waren zwiegespalten zwischen der Indoktrinierung, die sie auf die Seite Deutschlands gebracht und aus ihrem Land ein besiegtes Land gemacht hatte, und der Überzeugung, sie seien das erste Opfer des Hitlerregimes. Schließlich war die Wahl beim Anschluss gefälscht gewesen. So oder so hatte Österreich also seinen Tribut bezahlt. Bloß eine Frage der Dialektik. Bloß ein Mangel an Differenzierungsvermögen.

 

Léna erinnerte sich gut an den Tag, an dem Jans Mutter lange vor dem EU-Beitritt Österreichs ihn gefragt hatte: "Glaubst du wirklich, dass der Anschluss kommt?" Jan war ziemlich sauer auf sie gewesen. Denn er trug in sich die ganze Schande der Generation seiner Eltern. Es gab auch verletzende Bemerkungen über die französischen Kolonien. Oft reichte nur ein Gespräch über die französische Küche, so reich an Gewürzen, Vanille und exotischen Früchten …

 

Das Wien der Achtziger Jahre, das waren diese noch jungen Menschen mit Trachten, abgenutzten Knickerbockern und Steirer Hut mit Gamsbart, diese alten zerbrechlichen Damen mit weißen Handschuhen und blickdichten Strümpfen in der Hitze des Sommers, diese Halbwüchsigen, die sich samstags für die Tanzschule als Pompfüneberer feierlich verkleideten, diese hohen Beamten mit Schmiss im Gesicht, die sonntags die Uniform einer nationalen Burschenschaft zur Schau trugen. Léna hatte den Eindruck gehabt, die zynische Karikatur eines Thomas Bernhard wieder zu finden: die staubigen Museen, die Scheußlichkeiten und Schweinereien der Tageszeitungen, die rosafarbenen Tischtücher der Gasthäuser, die zwischen zwei Gästen einfach umgedreht werden, den Autofetischismus, ABS, Ledersitze, Alufelgen und Sonntagswäsche im blauen Schlosseranzug, den Größenwahn bei Mehlspeisen als schizophrenes Pendant zu den schmutzigen und übel riechenden Toiletten. Wien war eine zerfallene Gesellschaft, rührend lächerlich und obsolet. Léna hatte Hilde Güden kurz vor ihrem Tod kennen gelernt. Diese Frau, die Strauß und Lehár auf den größten Bühnen der Welt gesungen und mit ihrem breiten gesunden Lächeln, ihrem stählernen Blick, ihrer arischen Mähne und ihrem walkürischen Busen die germanische Schönheit und Lebenskraft verkörpert hatte, lebte nun zurückgezogen in ihrem Klosterneuburger Haus, verfallen, abgemagert, vertrocknet, zahnlos, von Krebs und Senilität zerfressen. Wiener Blut, hatte Léna gedacht. Die Sängerin hatte Léna eins ihrer Bühnenkleider geschenkt, ein mit Goldfäden besticktes Kleid aus wassergrüner Seide, das Léna für Bälle oder für die Oper hätte tragen können. Nur war es von Motten zerfressen. Das war die wahre Dekadenz des Fin de siècle, inmitten einer europäischen Hauptstadt von zwei Millionen Einwohnern im Jahre neunzehnhundert­siebenundachtzig.

 

Schon im nächsten Herbst lieferte die Claus-Peymann-Inszenierung von Bernhards Theaterstück Heldenplatz den nächsten Skandal und der Klatschpresse ihren neuen Sündenbock. Ja, Thomas Bernhard hatte Recht: in diesem Land schmerzt manchmal die Wahrheit. Das Theater war eindeutig zweigeteilt. Es gab die, die mit Léna und ihren Freunden lachten. Aber das Pelzmantel- und Perlenkettenpublikum wurde gleich bei der ersten Szenen schockiert, als sie hörten, es gibt jetzt mehr Nazis in Wien als achtunddreißig und in Österreich musst du entweder katholisch oder nationalsozialistisch sein, alles andere wird vernichtet. Unter das Gelächter mischte sich lautes Räuspern, dann kam das Buhen und erste Zuschauer standen auf, mitten im Stück, spätestens in der Pause nach der zweiten Szene, so dass sie die großartige Stelle aus der dritten Szene nicht mehr hören konnten, in der Professor Schuster sagt, dass in jedem Wiener ein Massenmörder steckt. Das Burgtheater, nun von seinen üblichen reaktionären Besuchern befreit, lachte laut auf. Nach vier Stunden fiel der Vorhang. Ein magischer Moment für Léna, als das Licht im rotgoldenen Saal wieder anging und die übrigen Zuschauer zu klatschen begannen, in einem langen Beifall für den Mut, Wien als eine geist- und kulturlose Kloake geschildert zu haben, die in ganz Europa ihren penetranten Gestank verbreitet. Léna fühlte sich nicht mehr allein. Vielleicht ändern sich die Dinge noch. Nur, wie man weiß, wiederholt sich die Geschichte. So kam wieder eine Welle der Frankophobie, als Österreich auf Vorschlag Frankreichs EU-Sanktionen auferlegt wurden. Léna war selbstverständlich daran Schuld. Da sie eine von denen war. Ihr Pass war der Beweis dafür: Héléna Moreau, née à Toulouse le 15 novembre 1967, und ihr leichter Akzent verriet sie noch in manchen Geschäften der Innenstadt.

 

Nur, inzwischen hatte Léna Jan kennen gelernt und mit ihm seine Freunde, linke Intellektuelle, Grüne, Ausländer, Juden, Homosexuelle, Künstler, Schriftsteller, kurz alles, was Wien damals an Minderheiten zählte: Sie bildeten schließlich das Zünglein an der Waage...

 

Und eines Winterabends, zehn Jahre war es schon her, waren sie dreihunderttausend auf dem Heldenplatz gewesen, um in einem Lichtermeer gegen Rassismus und Intoleranz zu demonstrieren. Da waren sie wieder, die beim Bernhard-Stück geklatscht hatten, Kinder von Deportierten oder von Nazis selbst, mit Kindern auf den Schultern, in der Hand eine Fackel oder ein Transparent mit make love, not war oder nie wieder. Léna hatte sich ihren Knopf aus Frankreich wieder angesteckt, eine offene schwarze Handfläche mit den inzwischen verblassten Worten Touche pas à mon pote. Oben auf der Bühne stand eine unscheinbare Frau mit Kapuzensweater, die Léna noch nicht kannte, und auf die von nun an Jörg Haider und seine Partei ihren ganzen populistischen Hass ausschütten sollten.

 

Etwa zu dieser Zeit hatte auch Léna Wien richtig lieben gelernt: die gepflasterten Gassen des Spittelbergs und des Judenviertels, die türkischen und asiatischen Märkte, die geheimen Passagen mit ihren grünen Fensterläden, die Cafés unter freiem Himmel. Von den sanften Belvédère-Gärten mit ihren rätselhaften Sphinxen war sie einmal bis zu dem kleinen gewölbten Café geschlendert, wo Jan sie bei klassischer Musik und unter dem Blick der Heiligenstatuen zum ersten Mal geküsst hatte. Im Café lief gerade Mozarts Arie: Sagt, ist es Liebe, was hier so brennt? ... Sie hatte Schönbrunn im Winter erlebt, den weiten schneebedeckten Park, die klare Sonne, verwaist bis auf ein paar Jogger, die Eichhörnchen und in der klirrenden Kälte das Knarren der Tannen im Wind und das Lachen der Krähen. Die Stadt schien ihr nun so feminin, sie hatte manchmal den Charme südlicher Städte, am Michaelerplatz erinnerten Spuren an die mittelalterliche Vergangenheit, bunte Häuser spiegelten das Licht florentinischer Paläste, schmideeiserne Tore protzten mit barocker Üppigkeit, kleine begrünte Innenhöfe erinnerten sie an die Klöster ihrer Geburtsstadt, das Plätschern des Brunnens der Freyung-Passage an andalusische Gärten, die Ornamente der Jugendstil-Majoliken an die Anmut maurischer Mosaiken, und der Duft der Rosen an die Sanftheit lauer Sommernächte.


 

 

Französisch

 

 

De miel et d’absinthe 

 

 

 

Sa vie à Vienne était de miel et d'absinthe. Elle avait dû faire la part des choses, trier le grain de l'ivraie. Car elle avait souffert au début d'un sentiment de déracinement que la tristesse de la ville et la laideur des gens n'avaient su consoler. Quand elle était arrivée à Vienne, il y avait plus de quinze ans, ils avaient dit: « Ah, les Français, on les connaît, ils nous ont occupés pendant dix ans... » Léna n'avait pas bien compris sur le moment. Elle n'avait que vingt ans et on ne lui avait jamais parlé de ça. De la France comme d'un occupant. Pour elle, la deuxième guerre c'était les tickets de rationnement qui avaient à peine nourri sa mère, les topinambours que son grand-père avait dû manger à son retour du front, c'était la Résistance et la Gestapo, les bons et les méchants. Et au lycée on lui avait bien dit que les forces alliées, dont étaient les Français, étaient libératrices. D'ailleurs son grand-père avait « libéré » Paris. Avec les années, elle avait compris cette conscience mauvaise de la génération guerre. Ces Autrichiens-là étaient partagés entre l'endoctrinement qui les avait placés du côté allemand, donc des pays vaincus, et la conviction d'avoir été les premières victimes du régime hitlérien. Après tout, le vote de l'Anschluss n'avait-il pas été truqué ? Dans les deux cas, position plus confortable que d'être considéré comme victime. Ou simple question de dialectique. Simple manque de discernement. Léna avait relevé l'expression de la mère de Jan qui lui avait demandé peu de temps avant l'entrée de l'Autriche dans l'Union Européenne: « Tu crois que l'Autriche va vraiment être annexée ? » Jan avait ri jaune. C'est qu'il portait en lui toute la honte de sa génération pour celle de leurs parents. Il y avait eu aussi ces réflexions blessantes au sujet des colonies françaises. Il suffisait souvent d'une discussion sur la cuisine française, si riche en épices, vanille et fruits exotiques...

 

L'Autriche des années quatre-vingt c'était les costumes traditionnels, knickerbockers de cuir élimé et poils de chamois au chapeau, portés en plein centre ville par des gens encore jeunes, c'était de vieilles dames gainées de gants blancs et de bas opaques au plus chaud de l'été, c'était les lycéens déguisés en communiants tous les samedis soir pour aller à l'école de danse, c'était des hauts fonctionnaires aux visages balafrés sous des casquettes barrées des couleurs d'une corporation fasciste d'étudiants. Léna avait eu l'impression de retrouver à la ligne la caricature cynique de tout l'œuvre de Thomas Bernhard : musées poussiéreux, médiocrité des journaux à scandale, nappes rose pâle des restaurants retournées entre deux clients, culte des voitures, ABS, sièges en cuir, jantes en alu et lavage dominical en salopette bleue d'ouvrier, mégalomanie des pâtisseries, pendant schizophrène de l'épouvantable saleté des toilettes. Vienne était une société sur le déclin, touchante de ridicule et de désuétude. Léna avait fait la connaissance de Hilde Güden peu de temps avant sa mort. Elle qui avait chanté Strauss et Lehár sur les plus grandes scènes du monde, elle qui avait incarné la vitalité et la beauté germaniques, large sourire aux dents saines, regard d'acier, blondeur aryenne et poitrine walkyrienne, vivait recluse dans sa maison de Klosterneuburg, décrépite, amaigrie, desséchée, édentée, minée par le cancer et la sénilité. Wiener Blut, sang viennois. La cantatrice avait fait cadeau à Léna d'une de ses robes de scène, superbe fourreau de soie vert d'eau cousue de fil d'or, que Léna aurait pu porter pour aller à l'Opéra ou à des bals. Mais la robe était mitée. La décadence fin de siècle, elle était là, au cœur d'une capitale européenne de deux millions d'habitants en mille neuf cent quatre-vingt-sept.

 

À l'automne suivant, la mise en scène par Claus Peymann de la pièce de Bernhard Heldenplatz jetait un voile de scandale sur le Burgtheater et alimentait la presse de ses insultes habituelles. Et oui, Bernhard avait raison : dans ce pays, la vérité fait du mal à entendre. La salle était partagée en deux. Certains rirent, Léna et ses amis étaient de ceux-là. Mais les gens du public qui arboraient colliers de perles et manteaux de fourrure furent outrés d'entendre dès le début de la première scène qu'en Autriche il y a aujourd'hui plus de nazis qu'en trente-huit et qu'en Autriche, il faut être catholique ou national-socialiste, le reste étant exterminé. On entendit des raclements de gorges au milieu des rires, puis certains osèrent huer pour finir par se lever et partir avant la fin, au plus tard à l'entracte, après la scène deux. Ceux-là donc n'entendirent pas le moment admirable de la scène trois où le Professeur Schuster déclare que dans chaque Viennois sommeille un tueur en série. Le Burgtheater, vidé de ses habitués réactionnaires, éclata d'un rire sardonique. Au bout de quatre heures, le rideau tomba. Instant magique pour Léna que celui où les lumières se rallumèrent dans la salle rouge et or, et où tous se levèrent pour applaudir debout, longtemps, le courage d'avoir dépeint Vienne comme un cloaque dénué d'esprit et de culture qui répand son odeur nauséabonde dans toute l'Europe. Ainsi donc il y avait des gens qui pensaient comme elle. Les choses allaient pouvoir changer. Mais comme on le sait, l'histoire se répète et la francophobie recommença de plus belle l'année des sanctions de l'Europe contre l'Autriche, sur proposition de la France. Léna ne pouvait qu'en être responsable. Puisqu'elle en était, elle. Son passeport le prouvait : Héléna Moreau, née à Toulouse le 15 novembre 1967, et son léger accent la trahissait encore auprès des commerçants.

 

Seulement voilà : Léna avait rencontré Jan et commencé à fréquenter ses amis, intellectuels de gauche, écolos, étrangers, juifs, homosexuels, artistes, écrivains, tout ce que Vienne comptait de minorités et qui faisait en somme pencher la balance du bon côté. Et un soir d'hiver, dix ans déjà, ils avaient atteint les trois cent mille sur la même Heldenplatz pour exprimer dans un océan de lumière leur refus du racisme et de l'intolérance. Ils étaient là, ceux qui avaient acclamé la pièce de Bernhard, enfants de déportés ou de nazis, petits-enfants sur les épaules, une torche à la main ou brandissant des make love, not war ou des nie wieder. L'association des auteurs avait une banderole avec Touche pas à mon poète, et Léna avait ressorti pour l'occasion le petit badge en plastique noir en forme de main ouverte. Sur le podium, une femme discrète, vêtue d'un sweat-shirt à capuche, encore inconnue du public français, celle sur qui Jörg Haider et son parti raciste déverseraient dès lors toute leur haine populiste : Elfriede Jelinek.

 

C'est à cette époque aussi que Léna avait découvert les rues pavées du Spittelberg et du quartier juif, les marchés turcs et asiatiques, les passages secrets aux volets de bois vert, les cafés à ciel ouvert, campagne dans la ville. La pente douce des jardins du Belvédère l'avait menée un jour aux sphinx énigmatiques puis vers ce petit café au plafond voûté, statues de saints et musique classique, où Jan l'avait embrassée pour la première fois. C'était sur l'aria de Mozart : Sagt, ist es Liebe, was hier so brennt. Elle avait vu le parc de Schönbrunn l'hiver, le grand parc sous la neige et sous un clair soleil, sans personne, seuls les écureuils et quelques sportifs, et dans le silence glacial le craquement des sapins dans le vent et le cri des oiseaux de proie. La ville lui semblait aujourd'hui si féminine, elle avait par endroits le charme des villes méridionales, les vestiges de la Michaelerplatz rappelaient son passé médiéval, les maisons baroques reflétaient la lumière des palais florentins, les ornements des portails débordaient d'exubérance baroque, de petites cours de verdure avaient l'intimité des cloîtres toulousains, la fontaine du passage de la Freyung la fraîcheur d'un jardin andalou, les volutes des majoliques Jugenstil la grâce des faïences mauresques, la façade de la Ruprechtskirche l'austérité des églises romanes, et le parfum des roses la douceur d'un soir d'été.