Helmuth A. Niederle, Schriftsteller, Übersetzer, Präsident des Österreichischen PEN Club. Von 1994 bis Ende 2011 war er stellvertretender Leiter der ÖGL und zeichnete für die Programmgestaltung verantwortlich. Niederle trat 1984 dem Literaturkreis Podium, dem Österreichischen Schriftstellerverband sowie dem Österreichischen PEN Club bei. In den Jahren 2000–2013 war er Beauftragter des Writers in Prison Committee des Österr. PEN und setzt sich als Autor, Herausgeber und Vortragender für politisch unterdrückte Schriftsteller ein. 2011 brachte er beispielsweise die Anthologie “Von der Freiheit des Schreibens“ heraus, die dem deutschsprachigen Lesepublikum Texte verfolgter Autorinnen und Autoren vorstellt und auf die weltweite Achtung der Menschenrechte pocht. Zum Teil steht auch Niederles Übersetzungsarbeit in Zusammenhang mit dem Engagement für verfolgte Schriftsteller, jedenfalls aber zeugt sie von seinem ethnologischen Interesse im Sinne des Postkolonialismus. Als Redakteur der Reihe edition pen fördert Niederle auch verstärkt die österreichische Gegenwartsliteratur.

 

" Sprache ist für mich wie eine Wiege, in der man gut gebettet liegt. In ihr ist man zuhause wie ein Fisch im Wasser. Allerdings mit dem Vorteil: Man ist beides gleichzeitig. Man ist umgeben, man schafft Strömungen, in dem man sich ausdrückt. Im Wasser kann man auch schweben! Letztlich gibt es nichts, was man nicht ausdrücken könnte. Und wenn es nur eine Zusammenführung von Lauten ist, welche die Grenzen des Wortes überschritten haben. Sprache ist wie ein riesiges Musikinstrument, das nur einer gewaltigen Orgel vergleichbar ist. Und es ist kein Leben lang genug, um all Möglichkeiten, welche die Orgelpfeifen, Manuale und Pedale bieten, voll ausspielen zu können. "

 

 

Wie würden Sie die Beziehung einer/s SchriftstellerIn/s zu ihrer/seiner Sprache verstehen?

 

Sprache ist für mich wie eine Wiege, in der man gut gebettet liegt. In ihr ist man zuhause wie ein Fisch im Wasser. Allerdings mit dem Vorteil: Man ist beides gleichzeitig. Man ist umgeben, man schafft Strömungen, in dem man sich ausdrückt. Im Wasser kann man auch schweben! Letztlich gibt es nichts, was man nicht ausdrücken könnte. Und wenn es nur eine Zusammenführung von Lauten ist, welche die Grenzen des Wortes überschritten haben. Sprache ist wie ein riesiges Musikinstrument, das nur einer gewaltigen Orgel vergleichbar ist. Und es ist kein Leben lang genug, um all Möglichkeiten, welche die Orgelpfeifen, Manuale und Pedale bieten, voll ausspielen zu können. Man bleibt immer ein Lehrling. Die Sprache, die jedem Menschen auf seinen Lebensweg mitgegeben wird, lässt sich individuell weiterentwickeln. Besonders wirksam wird dies, wenn man sich anderen Sprachen öffnet. Plötzlich berühren einem Sprachbilder, die zu Wortschöpfungen anregen. Unversehens lassen Sprachrhythmen ungeahnte Schönheiten entdecken. Und häufig finde ich Literatur, die mich dazu verführt, diese auf der mir ins Leben mitgegebenen Orgel erklingen zu lassen. Während der Entdeckungsreise in die andere Sprache erkenne ich neue Möglichkeiten, meine Orgel anders zu spielen.

 

 

 

Sie haben mit exilierten SchriftstellerInnen an unterschiedlichen Projekten mit verschiedenen Inhalten gearbeitet. Was sind Ihre Beobachtungen bezüglich des Beibehaltens der Muttersprache und/oder des Wechsels zur Sprache des Gastlandes?

 

 

Literatur, die in der mitgebrachten Muttersprache geschrieben wird, lässt sich in dem Land, in dem Exil genommen wurde, kaum vermitteln, es sei denn, dieselbe Sprache würde gesprochen. In Österreich haben in den Jahren der kommunistischen Diktaturen nur jene Schreibende den Weg in die literarische Szene gefunden, die entweder den Sprachwechsel vollzogen haben oder deren Werke rasch und vor allem auf hohem sprachlichen Niveau ins Deutsche übertragen wurden. Zu den Autoren, die erfolgreich in die Deutsche gewechselt sind, gehört zweifellos György Sebestyén. Er floh 1956 aus Ungarn nach Österreich und schrieb Deutsch. Dank seiner zahlreichen freundschaftlichen Kontakte zu Österreicherinnen und Österreichern gelang ihm eine rasche Integration. Doch Sebestyén konnte bereits Deutsch, als er in seiner Heimat Ungarn lebte. Er brauchte „bloß“ eine Sprache, die er bereits beherrschte, weiterzuentwickeln. Ein anderes Beispiel der Integration stellt Pavel Kohout dar. Auch er verfügte über Deutschkenntnisse, war bereits ein gefeierter Theaterautor vor seiner Ausbürgerung aus der damaligen CSSR im Jahr 1979. Schon 1978 hatte der Dissident Kohout einen Beratervertrag mit dem Burgtheater in Wien abgeschlossen. Seine Romane erschienen bei großen deutschsprachigen Verlagen. Heute gilt Pavel Kohout als tschechisch-österreichischer Schriftsteller. Wären seine Werke nicht im deutschsprachigen Raum verlegt bzw. aufgeführt worden und hätte er dasselbe Schicksal gehabt wie der aus Chile stammende Autor Gregorio Mena, der weiterhin in seiner Muttersprache schrieb, doch nicht übersetzt worden ist.

 

Dies stellt keine österreichische Besonderheit dar. Im 20. Jahrhundert haben zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil geschrieben und die Anerkennung im Gastland, in der neuen Heimat blieb ihnen letztlich versagt. Als ein Beispiel mag der polnische Autor Witold Gombrowicz herangezogen werden. Im Juli 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges unternahm er eine Schiffsreise nach Buenos Aires. Durch den Kriegsausbruch kehrte er nicht mehr nach Polen zurück und blieb in Buenos Aires. Er lebte von der Arbeit als Bankangestellter in der Banco Polaco; als seine eigentliche Lebensaufgabe betrachtete er jedoch das Schreiben. 1963 kehrte er nach Europa zurück, jedoch nicht in die Volksrepublik Deutschland. Dank eines Stipendiums der Ford Foundation ging Gombrowicz 1963 als Artist in Residence für ein Jahr nach West-Berlin. Danach ließ er sich in Vence (Südfrankreich) nieder. Seine Werke erschienen seit 1951 in Paris, seit 1959 in Deutschland, in Polen aber erst seit 1986.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Wirkung von Literatur jenseits der Sprachgrenze hängt von vielen Zufällen ab, die sich von den Betroffenen kaum beeinflussen lassen. Ein „Sprachwechsel“ kann hilfreich sein, doch ist es nur dann, wenn die aufgegriffenen Themen auch im Gastland, in der neuen Heimat, in den gesellschaftlichen Diskurs passen. Was in den Diskurs passt, lässt sich wegen der raschen gesellschaftlichen Entwicklung (nicht zuletzt Immigration und Globalisierung) kaum vorhersagen.

 

 

Augenscheinlich ist Österreich ein monolinguales Land. Aber dieses Land hat schon auch mehr als nur eine offizielle, anerkannte Sprache. Ist die, in diesen ebenfalls offiziellen Sprachen geschriebene Literatur,  auch als ein Teil der österreichischen Literatur berücksichtigt?

 

 

In Österreich sind mehrere Sprachen staatlich anerkannt. Die „Minderheitensprachen“ Kroatisch, Romani, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch und Ungarisch sind gesetzlich geschützten Sprachen autochthoner Minderheiten in Österreich nach dem „Volksgruppengesetz“ von 1976 (teils erst später erfasst). Die Anerkennung der Minderheitenrechte der Burgenlandkroaten, der Kärntner Slowenen und der Slowenen in der Steiermark (und damit auch die Anerkennung ihrer Sprachen) ist in Artikel 7 des Staatsvertrages von 1955 festgeschrieben. Die Anerkennung der ungarischen Sprache in vier Gemeinden des Burgenlandes folgte aus der auf Grundlage des Volksgruppengesetzes erlassenen Amtssprachenverordnung für Ungarisch. Die Burgenlandroma, Lovara und Sinti wurden erst 1993 in das Volksgruppengesetz mitaufgenommen. Schon allein die Darstellung, wann es zur Anerkennung der verschiedenen Sprachen kam, zeigt, wie schwierig es war, die Anerkennung durchzusetzen. Die offizielle Anerkennung besagt: Zusätzlich zur deutschen Sprache sind Kroatisch und Slowenisch Amtssprache in einigen Gerichtsbezirken der Steiermark, des Burgenlandes und Kärntens, außerdem Ungarisch in vier Gemeinden des Burgenlandes. Die Minderheiten haben in bestimmten Regionen Anspruch auf muttersprachlichen Unterricht in der Schule. Autorinnen und Autoren, die in den Sprachen schreiben, die zwar staatlich anerkannt sind, haben das Problem, in einer marginalisierten Position heraus zu schreiben, was ihre Rezeption noch schwieriger macht, weil die meisten deutschsprachigen Österreicherinnen und Österreicher kaum eine der Minderheitensprachen beherrscht. Dies gilt auch für die Literaturwissenschaftler sowie die Beamten in den kulturfördernden Institutionen des Bundes. Rezipiert werden die Literaturen der sogenannten Minderheiten eher wenig bis gar nicht, weil meistens die entsprechenden Verlage und Vereine fehlen, die literarische Entwicklungen zu fördern vermögen und weil die genannten Sprachen nicht von großen Bevölkerungsteilen auch tatsächlich verwendet werden. Das zu den anerkannten Minderheitensprachen zählende Slowenisch wurde im Jahr 2001 von rund 13.000 Personen als Muttersprache angegeben. Die Kärntner Slowenen sind, meiner Meinung nach, von all in Österreich beheimateten kleineren Volksgruppen jene, welche die stärkste Außenwirkung hat. Das mag einerseits an der politischen Verwerfungslinie liegen, die Österreich vom Balkan trennt, die aber auch die Deutschsprachigen schicksalhaft an die Slowenischsprachigen kettet; andrerseits aber auch an den literarischen Stimmen, die eine gewisse Wirkungsmächtigkeit erreicht haben. Im Frühjahr 1981 erschien der Roman Der Zögling Tjaž von Florjan Lipuš in der deutschsprachigen Übersetzung von Peter Handke. Seit damals ist die Literatur der Slowenen in Österreich kaum mehr übersehen worden, wenn auch eingeräumt werden muss: rezipiert wurde sie stets durch Übersetzungen ins Deutsche und viele Autorinnen und Autoren haben sich auch des Deutschen als Literatursprache bedient und machen dies bis heute.

 

Autorinnen und Autoren, die sich einer der anderen in Österreich anerkannten Sprache bedienen, bleiben zumeist weit unter der Wahrnehmungsschwelle. Seit vielen Jahren suche ich die Begegnung mit den Literaturen der kleineren Volksgruppen meiner Heimat. Da ich leider keine der Sprachen beherrsche, bin ich auf Übersetzungen oder auf sachdienliche Hinweise angewiesen. Die Anzahl der Autorinnen und Autoren, die ich kennenlernte, blieb überschaubar und der Zugang zu manchen Gruppen ist nicht ganz einfach. Dies gilt im besonderen Maße für die Gruppen der Roma, was nach den historischen Erfahrungen sehr gut verständlich ist.

 

 

Wie wichtig ist die Integration einer/s SchriftstellerIn/s in den literarischen Markt des Gastlandes? Wäre dies auch bei Fortsetzung des Schreibens in den jeweiligen Sprachen des Herkunftslandes möglich?

Der Literaturmarkt in Österreich ist an sich schon als ein schwieriger zu bezeichnen. Geringe Auflagen; zahlreiche Zeitungen, die über Bücher bzw. Literatur gar nicht berichten; nicht öffentliche Rundfunk- und Fernsehanstalten, die als absolut „literaturfrei“ zu bezeichnen sind, eine zögerliche Haltung bei Rezensentinnen und Rezensenten sich mit neuen, ungewohnten Inhalten auseinanderzusetzen, macht es nicht einfacher, auf dem Markt Fuß zu fassen.

 

In Österreich haben mehr als 200.000 Menschen Türkisch als Muttersprache. Unter ihnen befinden sich eine Reihe von Autorinnen und Autoren, doch nur diejenigen, die entweder den Sprachwechsel vollzogen haben oder gut übersetzt sind, haben Chancen anerkannt zu werden. Manche Autorinnen und Autoren, die Angst haben, dass ihre Sprache nicht mehr als Literatursprache wahrgenommen wird, schreiben unbeirrbar in ihrer Muttersprache, was zu einem Dilemma führt: Es gibt keinen literarischen Übersetzer, der aus dieser Sprache ins Deutsche übertragen könnte. Als Ausweg – dies ist eine der Verantwortlichkeiten, denen sich literarische Organisationen zu stellen haben – ist es Freundschaften zu pflegen, die helfen können, die eigene Literatursprache weiterzupflegen, damit sie nicht verloren geht, und gleichzeitig Übertragungen zu ermöglichen. Man könnte das als notwendige institutionalisierte literarische Freundschaften bezeichnen.

 

 

Welche Bemühungen sind für die Integration der exilierten SchriftstellerInnen in Österreich – auf staatlicher oder nichtstaatlicher Ebene – getätigt worden? Sind Sie zufrieden mit der Intensität dieser Bemühungen – und wie könnte man diesen Prozess noch verbessern?

 

 

Bisher bin ich nicht in der Lage staatliche Strategien zu erkennen, die darauf abzielen, ins Exil gedrängte Autorinnen und Autoren auf Dauer in Österreich zu integrieren. Dass es Maßnahmen gibt, Flüchtlingen bei ihrer Integration behilflich zu sein, lässt sich nicht bestreiten. Doch gezielte Maßnahmen, die Künstlern gelten, auf dass sie ihre Arbeit weiterentwickeln können und dadurch das heimische Kulturleben bereichern, sehe ich nicht. Ich bin also gar nicht zufrieden.

 

Vernünftig wäre es, staatliche Geldmittel zur Verfügung zu stellen oder finanzielle Unterstützung von den Bundesländern und den Gemeinden auszuschütten, die gezielt an NGOs vergeben werden, um ins Exil getriebene Autorinnen und Autoren bei ihrem Bestreben nach gesellschaftlicher Partizipation zu unterstützen. Es wäre kein Fehler, wenn jedes Bundesland beschlösse, pro Jahr finanzieren wir zwei weitere Künstlerinnen bzw. Künstler, auf dass sie in Ruhe weiterarbeiten können. Diese Programme müssten so vergeben werden, dass sie für Kulturschaffende auch verwendbar sind. Etwas übertrieben gesagt: einer/m Komponist/in oder einer/m Bildhauer/in abzuverlangen, dass sie Deutsch können, entbehrt nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Im nächsten Geschäft Nahrungsmittel einzukaufen, das lernt jede/r, doch auszustellen oder aufgeführt zu werden, ist für schöpferisch Tätige viel wichtiger. Solche Programme müsste eine lange Unterstützungsdauer haben. Es dürfte sich nicht um ein kurzfristiges Stipendium handeln, das nach einigen Monaten ausläuft, sondern müsste tatsächlich Perspektiven ermöglichen.

 

Es gibt einen generellen Eindruck, dass bei Achtung und Aufnahme fremder Literaturen, die literarischen Organisationen und Magazine sich mehr und mehr euro-zentristisch orientieren. Ist das wahr? Und wenn es so ist – wie könnte man sie überzeugen ihren Horizont zu erweitern und auch die ungehörten Stimmen der sich entwickelnden Regionen dieser Welt mitzunehmen?

 

 

Vielleicht täuscht der Eindruck, dass die österreichischen Medien eurozentristischer werden. Ich bin mir nicht sicher. Tatsache ist, dass es eine Dominanz in der übersetzten Literatur gibt. An die 60% sind aus dem Englischen, bevorzugt werden Schreibende aus dem UK und den USA. Kanada und Australien spielen eine untergeordnete Rolle. Übersetzungen von englischsprachiger Literatur aus dem indischen Subkontinent, den Philippinen oder aus Afrika sind selten. Übersetzungen von Literaturen, die in keiner Kolonialsprache geschrieben sind, haben es unendlich schwer auf Deutsch zu erscheinen. Spezialisierte Rezensenten sind selten und werden ständig unterbezahlt.

 

Wenn eine Veränderung angestrebt wird, die tatsächlich ungehörte Stimmen dieser Welt in unseren Breiten hörbar machen will, muss man nicht nur an den universitären Ausbildungsgängen etwas ändern. Ein anderes Bewusstsein muss auch an den Pflichtschulen geschaffen werden. Wenn ich sage, die Gedankenwelt der Österreicher muss dekolonialisiert werden, klingt dies wie ein Schlagwort. Doch ein wacher Blick in die mediale Welt zeigt uns, wie sehr Voreingenommenheit und Vorurteile den Blick einengen. Dies zu ändern, wäre eine nationale Kraftanstrengung. Deutlich müsste unterrichtet und von den PolitikerInnen vorgelebt werden: der sogenannte Fremde ist uns in seinen Wünschen, seinen Lieben, seinen Neigungen und Ablehnungen viel näher, als man gemeinhin annimmt. Ergänzend muss gelten: Mehr Mut zur Selbstreflexion! Keine Scheu die eigenen Fehler zu korrigieren! Die Künste der anderen können den Blick schärfen, also: Mut zum Abenteuer für Ungewohntes.

 

 

PEN ist eine transnationale literarische Organisation, aber, generell und in den meisten Ländern sehen die Regeln sie doch mehr als Hüterin der eigenen, nationalen Literatur. Im Gegensatz dazu scheint PEN-Österreich doch mehr eine weltoffene und internationale Aktionslinie zu betonen -  in ihren Vorstellungen und Programmen. Ist das der Geist des PEN – oder ein Akt des Linienüberschreitens?

 

 

Der Österreichische PEN versucht Alternativen nicht zu predigen, sondern zu leben. In Erinnerung, dass in der Zeit des NS-Regimes Autorinnen und Autoren wegen ihrer politischen Einstellungen und wegen ihrer „rassischen“ Herkunft verfolgt, vertrieben und ermordet worden sind, muss ein PEN-Zentrum im deutschsprachigen Raum im besonderen Maße darauf achten, dass es eine historische Bringschuld hat. Zahlreiche Schreibende haben in unterschiedlichen Ländern auf verschiedenen Kontinenten überlebt. Autorinnen und Autoren, die heute vertrieben werden, brauchen ein schützendes Dach, unter das sie sich begeben können. Das versucht der Österr. PEN mit den bescheidenen Mitteln zu sein, die ihm zur Verfügung stehen.

 

In der österreichischen Politik hört man immer weniger die Worte Solidarität und Hilfe, sondern „Nachschärfen“, die „Grenzen dichter zu machen“, die Willkommenskultur abzuschaffen. Was nicht nur Österreich braucht, ist eine Architektur des Ankommens. Dies bedeutet, nicht nur Sicherheit an Leib und Leben, sondern Lebensmöglichkeit und Verwirklichung von Plänen in Würde. Der Österreichische PEN steht auf dem Boden der Humanität, die ihrerseits auf den unwandelbaren, fest geschriebenen Boden der Menschenrechte steht. Um diese in der Praxis zu verwirklichen, braucht es des Wissens um den andern, um die Schwester und den Bruder, der bzw. die von einem Nachbarkontinent kommt. Und dieses Wissen kann man aus der Literatur beziehen, wenn Herz und Hirn offen sind.

 

Abschlussbemerkung:

Jede der Fragen, für die ich sehr dankbar bin, hätte nach einer Antwort enzyklopädischen Zuschnitts verlangt. Essays als Antworten sprengen den üblichen Rahmen, daher blieb vieles ungesagt. Dafür entschuldige ich mich und bitte um Nachsicht.

 

Dieses Interview wurde von Aftab Husain geführt.